Thursday, November 8, 2012

Wahltag in Amerika, erlebt in Nairobi 7.11.12

Heute morgen auf dem Weg zur Arbeit begegnet mir eine Frau im OBAMA- T-Shirt, gestern Abend beim Einkaufen im Slum mehrere amerikanischen Flaggenträger und Obama- Verehrer: Hier ist ER einer von Ihnen.
Entsprechend erfahre ich gegen 9.00 aus dem Fernseher im Warteraum, dass er es noch einmal geschafft hat. Hier ist die Freude groß. Anscheinend ja weltweit, und besonders in Westkenia am Victoriasee im Dorf seiner Stiefoma. Hier wird die Verwandtschaft gewinnbringend vermarktet.


Die Arbeit war heute abwechslungsreich. Der Morgen beginnt mit einer jungen Frau, die verwirrt ist und nicht mehr sprechen kann seit heute, zuvor 3 Tage Kopfschmerzen. Sie hatte eine Malaria- Selbsttherapie aus irgendeinem Quaks- Laden betrieben.
Stiff neck und die typisch unregelmäßig- fleckige schlechte Haut lassen wieder an eine Kryptokokkenmeningitis bei HIV denken,  Fieber fehlt.
Der Ehemann der Frau weiß nichts über ihren HIV- Status, sie ist seit 6 Jahren nicht getestet worden. Das Laborpersonal kommt ans Bett in unserem emergency-room, bald ist klar, dass auch diese Patientin HIV- infiziert ist. Der Ehemann weist den Test zurück, er sei schon lange medikamentös behandelt - also positiv und weiß es…..
Das Kryptokokkenantigen ist allerdings negativ, Blutbild unauffällig, so dass die endgültige Diagnose im Dunkeln bleibt. Die Patientin wird ins Mbagathi District Hospital eingewiesen. Es bleibt TB- Meningitis oder Toxoplasmose im Raum als opportunistische Erkrankung bei HIV.


Vorgestern eine gut aussehende Mutter, die mit einem schmerzhaften Ausschlag an Arm und Thorax kam: inzwischen weiß ich die Zeichen zu lesen. Herpes Zoster (Gürtelrose) hier fast immer  HIV- assoziiert.  NACH der Mutter dann kam die Tochter zur Sprechstunde, ein völlig verhungertes 12- jähriges Mädchen, kurzatmig mit einer Lunge voller Husten, tachycard, so dass man das kleine Herz von außen sich mühen sehen konnte, voller schuppiger Hautausschläge: seit 1 Jahr kann sie kaum mehr laufen, hat 5 kg Gewicht verloren - und da kommt die Mutter erst, wenn sie selber Schmerzen hat. Tochter und Mutter HIV+, Tochter hat zusätzlich TB, sollte gestern zum Röntgen, kam aber nicht wieder. Heute war sie Gott sei Dank da, ich hatte mir schon Sorgen gemacht, wie wir sie finden, denn die Healthworker hatten sie noch nicht registriert. Ich habe sie mit meinen neuen Kenntnissen geschallt und einen Pericarderguß gesehen - TB auch im Herzbeutel. Sie hat noch eine 8- jährige Schwester, die wir noch nicht kennen und für nächste Woche einbestellt haben. Bleibt spannend, in welchem Zustand dieses Kind ist. Hier sagte selbst die HIV- Counseler Joyce: this mother is stupid.
Ich verkneife mir das noch, die Leute für doof zu erklären, aber diese Mutter könnte ich schütteln oder mehr. Das ist eine Brutalität, mit der ich schlecht zurecht komme. Und gegen die Evolution, wenn Eltern ihre Kinder nicht versorgen, oder?
Da ist unsere hiesige Katzenmutter besser.

Gestern ein 12- jähriger Junge, letzte Woche mit akutem Durchfall und einer Somali- Mutter, die klagend von ewigen Bauchschmerzen des Jungen berichtete. Bei der Kontrolle und Befragung des gut englisch sprechenden Jungen selbst  kam raus, er ist vorerst wieder gesund, aber hungert, was eben Bauchschmerzen macht, die ich mit Medizin nicht behandeln kann. Sie sind 8 Kinder zuhause, der Vater hat sich rechtzeitig vor Ankunft des 9. zur Zweitfrau begeben, family planing ist bei Somalis nicht erlaubt.... Zum Glück gibt es das feeding program, wohin ich die Familie zum sozialen Assessment geschickt habe....
Die beiden Ältesten der Familie gehen immerhin auf die secondary school, haben wegen Begabung ein Stipendium (government oder industry), das wenigstens ein Mittagessen einschließt.

Ich könnte also noch viele Kinder unterstützen (lassen), es ist immer zu wenig. Und was mich zusätzlich nervt, ist die Haltung: Daktari, promote ME,
Muzungu, come and give me money

Manchmal ist es schwer zu akzeptieren. Aber: ich wusste es vorher. Und vielleicht braucht es nur noch 10 Generationen, um besser zu werden. Dann sind allerdings auch die Europäer und mit ihnen das christliche Mitleid ausgestorben.

Dazwischen sehe ich immer wieder Patienten mit unglaublich niedrigen Hb- Werten. Heute eine junge Frau, die Christina vor einer Woche auf Eisen- und Folattherapie gesetzt hatte mit einem Hb von 3,7. Heute hatten wir schon 4,6, was für den Erfolg der Therapie spricht. Damit würde bei uns das Blaulicht anspringen, hier schicken wir die Patienten heim.
Ganz überwiegend sind diese Werte chronisch und die Patienten sind adaptiert, wenn auch matt. Letzte Woche hatte ich 2- mal Werte um 5 bei Männern, die gastrointestinal Blut verlieren - bei uns gespiegelt würden und transfundiert. Hier versuchen wir uns mit Amöbentherapie oder Säureblockern und eben Eisen, denn Endoskopien kann keiner bezahlen, oder fast keiner. Entweder wird es besser oder wir werden es schon merken.
Franziska wohnt in einer muslimischen Community

Mittags war ich dann mit Valerien, dem Sozialarbeiter und einer der freiwilligen Healthworkerinnen, die jedes Viertel und jede Familie kennen, bei Franziska Adengero, das ist die Mutter der Familie mit 3 Kindern, Mutter und Baby HIV- infiziert, wo der Vater das Inventar verkauft hat, während Mutter und Erstgeborener Steve Austine und später Mutter und Baby Haile Selassie Ibrahim im Krankenhaus waren. Der Mittlere ist fast 3 und heißt Hamza Mohamed.
Mein Freund Johannes hatte sich diese Familie ausgesucht, um sie zu unterstützen und wird, wenn alles klappt, die Schulausbildung des 9- jährigen Steve Austine bezahlen.
Deshalb hatte ich den Wunsch geäussert, diese Familie zuhause zu besuchen, um mir einen Eindruck zu verschaffen und ihm berichten zu können. Sie wohnen zumindest trocken, das ist schon viel bei den Regenfällen der vergangenen Tage. Es ist ein Steinhaus, das einem LANDLORD gehört, der damit Geld macht, es an die Bedürftigen unfertig, verdreckt und überteuert zu vermieten. Sie wohnt im Erdgeschoss in einem Zimmer mit Luftloch ohne Fenster. Für unseren angekündigten Besuch hatte sie sich 3 blaue internationale Plastikstühle geliehen. Es gibt im Zimmer eine Matratze mit 2 Decken, eine davon verbrannt. Ansonsten einen Kerosinkocher, ein paar Kochutensilien, Plastiktüten mit Kleidung.
Vor dem Haus

Eingang

Franziska mit ihren drei Buben


Valerien und die Healthworkerin

Einrichtung, zum Teil für den Besuch geliehen

Gemeinschaftswasserhahn

Gemeinschaftsdusche
Ich hatte im Slum eingekauft: Maismehl, Zucker, Salz, Öl, Bohnen, Tee, Körperseife, Wäscheseife, Damenbinden, Zahnpasta, Zahnbürsten. Dazu ein Schulheft und Stifte.
Sie ist eine muslimische Mutter, die sich sehr gut kümmert um ihre 3 Jungen, die einfach durch Krankheit aus der Bahn geworfen wurde und die nun mit Hilfe von Johannes Spende ihren großen Sohn im Januar wieder einschulen kann, ein hairdresser- buisiness starten kann und für 3 Monate die Miete bekommt. Ausserdem kann sie ihre Krankenhausschuld bezahlen, das Geld musste sie sich leihen, um entlassen zu werden (hierbei handelt es sich um Summen von ca. 5 Euro…).
Die Community-worker machen für diese Fälle ein Assessment, das Geld wird gegen Nachweis ausgegeben, kann für die laufenden Schulkosten an die Frankfurter Zentrale überwiesen werden und wird hier verwaltet.

Wochenendschön im Samburu-Nationalpark



Aus der Süddeutschen Zeitung hatte Maria Räder mir den Artikel zugeschickt:
Ein von Frauen bewohntes Dorf am Rande des Samburu- Nationalparks, wo wir am Samstag sowieso hinfahren wollten- ein FRAUENHAUS?
1990 flohen Frauen vom Stamm der Samburu  vor Rechtlosigkeit und Gewalt und gründeten ihr eigenes Dorf:
hier werden die Frauen nicht mehr geschlagen und die Mädchen nicht mehr beschnitten, zumindest ist das die offizielle Verlautbarung . Sie leben vom Tourismus, ein paar Ziegen, Perlenarbeiten und Förderung durch u.a. Hillary Clinton- Stiftung oder  USAID.
Das Touristenwohl im Dorf gibt allerdings zur Besorgnis Anlass, sie werden wie überall geschröpft, und wenn es die gefühlte Frauensolidarität auch auf unserer Seite gab, so mussten wir doch mit Nachdruck die Preise drücken.
Interessant war auch die fragliche Sinnhaftigkeit der von fleissigen Förderern gespendeten Dinge: das einzige Haus aus Stein ist das von US-AID gebaute Museum, in dem kaum mehr als Nichts ausgestellt ist, denn das Interessante findet sich im Dorf selbst und sind die geschmückten und singenden Frauen. 




Ebenso sinnlos erschien mir vor der Schule ein abgewrackter europäisch gestalteter Spielplatz mit Schaukelgestell ohne Schaukel, Kletterhäuschen, wo die Kinder im Baum hängen und einer Rutsche. Ein Entwicklungshilfeprojekt?
Aber es gibt immerhin eine Schule, die die Frauen aus den Touristeneinnahmen finanzieren und in die auch Kinder aus den benachbarten Dörfern gehen. Unser Fahrer war sehr skeptisch, dass wir ausgerechnet dahin wollten - er wird dort nicht für das Bringen von Touristen belohnt.
Wir waren jedenfalls erfreut über den Besuch, den Kontakt und unsere kleinen Einkäufe.






Ansonsten viel, viel Regen auf die („semiaride“) rote Erde und in den Braunen Fluss, eine für das kurze Wochenende lange Fahrt, eine wunderbare Lodge am Braunen Fluss, afrikanische Nachtgeräusche und Savannenlandschaft umgeben von Bergen mit all den Tieren der Arche Noah. Das liebe ich ja inzwischen sehr.
Hier sind die Elefanten rot und wirken vergleichsweise klein, die Giraffen sind besonders gezeichnet,
die Zebras auch und allein unterwegs.







Es gibt Voltaren- Guineafowls, jedenfalls klingt der Name so ähnlich, und die Giraffengazellen imitieren ihre großen Vorbilder. Der Oistrich kommt aus Somalia und hat angeblich blaue Beine und mehr als 25 Kinder von zwei Frauen (ThisIsAfrica), und der Sekretär sitzt auf dem Baum auf einem Ei.
 





Und Vögel in allen Farben, Formen, Größen- das braucht noch eine Ausbildung als Fieldguide, um die
alle zu kennen.
Kommt Zeit kommt Rat.


Und wer ist der und der und der?  Den großen kenne ich schon aus Namibia, aber habe den Namen
vergessen.
Unser Fahrer und Tourguide Peter ist zwar des Englischen mächtig, kann aber wie so
Viele hier R und L nicht unterscheiden und entsprechend schwer sind unbekannte Eigennamen zu
verstehen.











Jetzt muss ich ins Bett, nicht ohne darauf aufmerksam zu machen, dass es Frauenprojekte ohne
Männer wohl auch im Tierreich reichlich gibt. Nur beim Strauß scheint es anders zu sein.